Erfahren Sie mehr über Früherkennung und Behandlungsoptionen bei Lungenkrebs sowie über zukünftige Entwicklungen in der Lungenkrebstherapie—im Gespräch mit dem Radioonkologen Professor Dr. Mark De Ridder, CEO des UZ Brüssel. Laut der American Cancer Society ist Lungenkrebs bei Weitem die häufigste Todesursache durch Krebs. Jährlich sterben mehr Menschen an Lungenkrebs als an Darm-, Brust- und Prostatakrebs zusammen¹.

Beyond the Lab: Warum ist Lungenkrebs im Vergleich zu anderen Krebsarten so schwer frühzeitig zu erkennen?

Dr. De Ridder: Lungenkrebs im Frühstadium verläuft lange symptomlos. Patient:innen zeigen oft erst in späteren Stadien Beschwerden—insbesondere, weil die Lunge über keine Schmerzrezeptoren verfügt und daher keine spürbaren Schmerzen verursacht.

Was ist der aktuelle Standard in der Lungenkrebsbehandlung?

Bei nodal-negativen Lungentumoren, die kleiner als fünf Zentimeter sind und keine umliegenden Strukturen wie die Hauptbronchien oder Blutgefäße infiltrieren, gelten derzeit die videoassistierte thorakoskopische Chirurgie (VATS) oder die stereotaktische Körperbestrahlung (SBRT) als Standardtherapien.

Die Operation galt lange als Standard—schon seit der Zeit der Griechen und Römer. Aus diesem Grund ist die Chirurgie die Standardbehandlung für Patient:innen mit dieser Art von Tumor, die sich in guter körperlicher Verfassung befinden.

Viele Patient:innen sind jedoch aufgrund von Vorerkrankungen, beispielsweise durch Rauchen oder altersbedingt keine OP-Kandidaten. Für sie ist die stereotaktische Körperbestrahlung eine Alternative. Nach einer hohen Strahlendosis können diese Patient:innen Heilungsraten von bis zu 90 % erreichen—vergleichbar mit einer Operation.

Bei lokoregionär fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs ist das zu bestrahlende Tumor- und Lymphvolumen für stereotaktische Körperbestrahlung zu groß. Hier setzt man auf eine Kombination von Chemo- und Strahlentherapie. Patient:innen bei denen die Strahlentherapie keine Verbesserung zeigt, werden zusätzlich mit einer AntiPD1-Immuntherapie behandelt.

Metastasierte Patient:innen erhalten eine systemische Therapie. Es gibt auch Therapien, die auf den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor abzielen, sowie eine größere Auswahl an Immuntherapien, die mit einer Strahlentherapie kombiniert werden können.

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Professor Mark De Ridder, schloss 1998 sein Medizinstudium an der Vrije Universiteit Brussel (VUB) ab und erhielt 2005 seine Zulassung als Strahlentherapeut und Onkologe. Er promovierte 2005 in Medizinwissenschaften und ist ordentlicher Professor für Onkologie an der Fakultät für Medizin und Pharmazie der VUB. Seit 2010 leitete er die Abteilung für Strahlentherapie sowie die Abteilung für Supportive Care des UZ Brüssel und ist seit Februar 2025 der CEO dieses Universitätsklinikums.

Was bedeutet bildgesteuerte Strahlentherapie (IGRT) und oberflächengeführte Strahlentherapie (SGRT)? Warum spielen diese Verfahren bei soliden Tumoren, insbesondere Lungenkrebs, eine Rolle?

Bildgesteuerte Strahlentherapie bedeutet, dass bildgebende Verfahren eingesetzt werden, die die Strahlentherapie während der Behandlungsphase maßgeblich unterstützt. Früher haben wir Bildgebung während der Planungsphase eingesetzt, aber in den letzten zwei Jahrzehnten haben wir den Einsatz von elektronischen Portalbildgebungsgeräten, Kegelstrahl-Computertomographie und stereoskopischen Röntgenaufnahmen integriert. Letztendlich verwenden wir die Bildgebung, um unsere Therapie zu positionieren und zu steuern. Eine der Schwächen der bildgesteuerten Strahlentherapie besteht jedoch darin, dass während der Bestrahlung keine kontinuierliche Kontrolle möglich ist.

Die oberflächengeführte Strahlentherapie hingegen berücksichtigt die Körperoberfläche zur Bewegungsüberwachung. Bewegt sich die behandelte Person zum Beispiel, so kann der Bestrahlungsstrahl gestoppt und die Position der Liege korrigiert werden. Dadurch wird das den Tumor umgebenden gesunde Gewebe geschont.

In beiden Fällen sollte eine oberflächengeführte Strahlentherapie in Kombination mit bildgesteuerter Strahlentherapie eingesetzt werden. Genau dies macht das ExacTrac Dynamic® system. Wir nutzen Oberflächenführung und können bei Veränderungen mit interner Bildgebung, wie der stereoskopischen Röntgenaufnahme oder sogar durch neue CBCT-Aufnahmen, abgleichen. Die Idee ist, beide Ansätze für präzise und effektive Behandlungen zu kombinieren.

Das UZ Brüssel hat über viele Jahre wertvolle Erfahrungen in der Behandlung von Patient:innen mit soliden Tumoren gesammelt, darunter Patient:innen mit Brust- und Lungenkrebs. Wie hat sich die Technologie, die das UZ Brüssel zur Behandlung von Lungenkrebs einsetzt, weiterentwickelt?

Das UZ Brüssel hat sich in den letzten zehn Jahren in Bezug auf die Behandlung von Lungenkrebs erheblich weiterentwickelt.

Früher wurden Lungentumore mit großen Bestrahlungsfeldern behandelt, um die Bewegung des Tumors während der Behandlung auszugleichen. Aufgrund des großen bestrahlten Volumens von Lunge, Speiseröhre und Rückenmark war die Behandlung jedoch toxisch, und die Dosis konnte nicht auf tumorzerstörende Werte erhöht werden.

Der nächste logische Schritt war, die Behandlung noch präziser zu gestalten. Dafür nutzten wir unser Novalis System, das das Einsetzen von Fiducial-Markern bei Patient:innen erforderte und eine Gating-Technik anwendete—eine Behandlungsmethode, bei der die Bestrahlung an die Atmung angepasst wird und nur dann Strahlung abgegeben wird, wenn sich der Tumor im Behandlungsfeld befindet. Dadurch konnten wir die Dosis steigern und dem Tumor höhere Strahlungsmengen verabreichen. Die Implantation von Fiducial-Markern bei Lungenkrebspatient:innen, die möglicherweise bereits an chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen oder Emphysem leiden, kann jedoch zu einer Pneumothorax-Wahrscheinlichkeit (Lungenkollaps) von 20–30 % führen. Dies ließ sich meist durch Aspiration leicht behandeln, war aber keine elegante Lösung.

2009 erwarben wir als erstes Zentrum außerhalb Japans das Vero System. Damit war ein Echtzeit-Tumortracking ohne Gating möglich. Trotzdem arbeiteten wir weiterhin mit Fiducial-Markern. Bewegte sich der Tumor mit einer Amplitude von mehr als acht Millimetern (Peak-to-Peak), setzten wir einen Marker in den Tumor ein und verwendeten für diese Patient:innen das dynamische Tumor-Tracking als Protokoll. War die Tumorbewegung hingegen begrenzt, führten wir während der Simulationsphase eine atemabhängige Computertomographie (4DCT) durch und bestrahlten den Tumor mit der Internal Target Volume (ITV)-Technik, bei der die Ränder die gesamte Bewegung abdecken. Der große Vorteil dieses Ansatzes war die bessere Behandlungseffizienz.

Beim Gating muss man in der Regel warten, bis sich der Tumor im sogenannten Gating-Fenster befindet, während beim Tumor-Tracking die Strahlendosis während des gesamten Atemzyklus verabreicht werden kann. Dadurch verkürzt sich die Behandlungsdauer um den Faktor zwei bis drei, was natürlich die Lebensqualität der Patient:innen verbessert.

Leider kam es bei uns im Krankenhaus zu einem Wasserschaden, wodurch unser Vero System unbenutzbar wurde. Infolgedessen haben wir ein MRT-geführtes Strahlentherapiesystem (MRgRT) angeschafft. Der aktuelle Behandlungsstandard am UZ Brüssel sieht daher vor, dass wir eine Simulation der atemabhängigen Computertomographie durchführen. Wenn die Peak-to-Peak-Amplitude begrenzt ist, behandeln wir die Patient:innen nach dem ITV-Konzept unter Verwendung von ExacTrac Dynamic zur Oberflächenführung. Bewegt sich der Tumor jedoch zu stark und ist auf einem klassischen Linearbeschleuniger (LINAC) nicht sichtbar, setzen wir MRgRT ein.

Ein großer Nachteil der MRgRT ist jedoch der hohe Preis. Aus diesem Grund arbeiten wir mit Brainlab zusammen, um ein markerloses Tumor-Tracking in ExacTrac Dynamic zu entwickeln: mit dem Ziel, ein besseres Bewegungsmanagement auch auf klassischen LINACs zu ermöglichen. Ich denke, dass wir in den nächsten ein bis zwei Jahren in der Lage sein werden, Patient:innen mithilfe von Simulationen der atemabhängigen Computertomografie (4DCT), 4D-CBCT und markerlosem Tumor-Tracking mit integrierter Bild- und Oberflächenführung unter Einsatz von ExacTrac Dynamic zu behandeln.

Wie könnte sich die Therapie für Lungen- und solide Tumoren in den nächsten fünf bis zehn Jahren verändern?

In den letzten zwei Jahrzehnten revolutionierten wir die Bestrahlungstechnik. Heute liegt die Genauigkeit bereits bei etwa zwei Millimetern für alle Körperregionen. Eine weitere Steigerung der Auflösung auf unter zwei Millimeter wird daher vermutlich keinen wesentlichen klinischen Nutzen mehr bringen. Darauf basierend bin ich überzeugt, dass zukünftige Behandlungen stärker auf eine individualisierte Dosierung für jede:n Patient:in ausgerichtet sein werden.

Konkret könnten wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren in der Lage sein, Strahlentherapien patientenspezifisch zu verabreichen. Es geht dann nicht mehr nur darum, den Tumor mit der richtigen Dosis zu bestrahlen, sondern auch darum, die biologische Signatur des Tumors in die Planung zu integrieren. Um dies zu erreichen, sollten Herstellfirmen von Strahlentherapiesystemen enger mit akademischen und wissenschaftlichen Institutionen zusammenarbeiten, um individualisierte Behandlungsalgorithmen zu entwickeln.

Darüber hinaus wird die Automatisierung der Zielvolumendefinition und der Bestrahlungsplanung die Qualität der Strahlentherapie bei Lungenkrebs weiter verbessern.

The statements made by the healthcare professional during this interview represent their personal opinion and experiences. These statements may not be supported by scientific evidence or peer-review research. For verified information about the device, please refer to the manufacturer’s official documentation or consult clinical guidances.

  1. American Cancer Society. Key Statistics for Lung Cancer. Lung Cancer Statistics | How Common is Lung Cancer?