Wir hatten die Möglichkeit, mit der renommierten Neurochirurgin Dr. Isabelle M. Germano, über stereotaktische Radiochirurgie und stereotaktische Körperstrahlentherapieaus neurochirurgischer Sicht zu sprechen. Dr. Germano gibt zunächst einen Überblick zum aktuellen Stand der Technik in diesem Fachbereich, bevor sie tiefer in Details dieser zukunftsweisenden hochpräzisen Behandlungsansätze eintaucht.
Beyond the Lab: Unsere erste Frage ist eher allgemein: Was genau ist die stereotaktische Radiochirurgie (SRS) und was versteht man unter stereotaktischer Körperstrahlentherapie (SBRT)?
Dr. Germano: Beide – also SRS und SBRT – basieren auf einer äußerst präzisen Art der Strahlentherapie. Dabei wird die Strahlung gezielt auf das Zielgebiet gelenkt, während umliegendes gesundes Gewebe weitestgehend geschont wird. Stereotaktische Radiochirurgie bezieht sich in der Regel auf die Behandlung einer Läsion im Gehirn im Umfang von einer bis fünf Fraktionen, während die stereotaktische Körperstrahlentherapie zur Beschreibung eines ähnlichen Ansatzes für eine Läsion außerhalb des Gehirns verwendet wird. Eine Läsion in der Wirbelsäule kann mit einer bis fünf Fraktionen behandelt werden, was als SBRT bezeichnet wird. Damit unterscheiden sich SRS und SBRT grundlegend von anderen Strahlentherapieverfahren, die zwar mit ähnlicher Technik arbeiten, bei denen die Strahlung jedoch weniger gezielt eingesetzt wird und auch umliegendes Gewebe einbezieht.

Dr. Germano ist Neurochirurgin und Professorin für Neurochirurgie, Neurologie und Onkologie an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai Hospital in New York City. Außerdem ist sie Direktorin des Comprehensive Brain Tumor Program und Co-Direktorin des Radiosurgery Program. Seit 2015 ist Dr. Germano Mitglied der Brainlab Novalis Circle Expert Group.
Welche Herausforderungen oder Hindernisse gibt es im Zusammenhang mit SRS und SBRT? Und wenn ja, wie können medizinische Einrichtungen damit umgehen?
Das Wort Hindernisse mag ich ehrlich gesagt nicht besonders. Ich spreche lieber von Herausforderungen. Wenn ich meinen Auszubildenden, Stipendiaten und Assistenzärzt:innen die Radiochirurgie näherbringe, vergleiche ich das gerne mit dem Fliegen: Ich bin zwar keine Pilotin, aber ich finde wirklich, dass das Konzept der Radiochirurgie dem Fliegen eines großen Flugzeugs ähnelt. Was meine ich damit? Es bedeutet, dass es wirklich keinen Spielraum für Fehler gibt und dass Sicherheit unglaublich wichtig ist. Als Pilot eines Flugzeugs möchte man von A nach B fliegen – ohne abzustürzen. Bei der Radiochirurgie und der SBRT ist es genauso.
Wir wollen Patient:innen behandeln und gleichzeitig die größtmögliche Sicherheit gewährleisten. Für mich gibt es zwei zentrale Sicherheitsfaktoren. Erstens: die Vorbereitung, also der sogenannte QA-Prozess vor jedem Eingriff – sozusagen die Generalprobe. Und zweitens: Kein Pilot fliegt allein, immer ist ein Co-Pilot dabei. Deshalb arbeiten an unserer Einrichtung stets Neurochirurg:innen und Strahlenonkolog:innen eng zusammen. Nicht etwa, weil wir einander nicht vertrauen, ganz im Gegenteil – wir sind aufeinander angewiesen, um die größtmögliche Sicherheit für die Patient:innen zu gewährleisten.
„Die Software hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt – sodass die aktuelle Version der zwei oder drei Jahre alten deutlich überlegen ist. Zum Beispiel durch die Möglichkeit, mehrere Bilddaten miteinander zu fusionieren und mehrere Metastasen mit nur einem Isozentrum zu behandeln."
Warum sollten Kliniken oder Praxen, die keine SRS- oder SBRT-Verfahren nutzen, darüber nachdenken, diese Technologien in ihr Behandlungsangebot aufzunehmen?
Es gibt viele Vorteile für die Patient:innen. Die Datenlage – sowohl unserer eigenen Studien als auch darüber hinaus – zeigt, dass die Heilungsraten bei Hirn- und Wirbelsäulenmetastasen mit einer einzelnen oder einer bis fünf Fraktionen deutlich höher sind als bei der herkömmlichen Strahlentherapie. Neben dem besseren Ergebnis ist es für Patient:innen auch unkomplizierter. Eine einmalige Behandlung ist viel angenehmer als fünf oder zehn Termine mit herkömmlicher Bestrahlung.
Das ist meines Erachtens der Grund dafür, dass immer mehr Kliniken SRS und SBRT anbieten. Ich bin seit 2015 Teil des Teams hier, und habe in den letzten sieben Jahren ein deutliches Wachstum beobachtet. Selbst kleinere Krankenhäuser bieten inzwischen SBRT und SRS genau aus den Gründen an, über die wir gesprochen haben: weil sie sicherstellen müssen, dass die Bedürfnisse der Patient:innen erfüllt werden. Die Patient:innen sind heute sehr gut informiert, sie wissen, welche Behandlung die besten Ergebnisse liefert und gleichzeitig am wenigsten belastend ist.
Sie erwähnten, dass Sie Teil der Novalis Circle Expert Group sind. Welche Rolle haben Sie dort, und warum lohnt sich eine Novalis-Zertifizierung für medizinische Einrichtungen?
Das Konzept der Zertifizierung – um noch einmal auf den Vergleich mit dem Fliegen zurückzukommen – beruht darauf, dass wir als Expert:innen dieses Fachbereichs großen Wert auf Sicherheit und Weiterentwicklung legen. Deshalb wollten wir mit der Gründung einer Community, die auf Peer-Review basiert und Orientierung sowie Unterstützung bietet, den Bestrahlungszentren mehr Sicherheit, Routine und Selbstvertrauen geben. Die Beurteilung der Klinik findet zunächst vor Ort statt, wird anschließend remote fortgesetzt und jedes Zentrum erhält detailliertes Feedback.
Dank dieser Rückmeldungen können sich Bestrahlungszentren weiterentwickeln und Abläufe an die neuesten Standards anpassen bzw. modernisieren. Ich denke, dass es der gesamten Community zugutekommt, denn letztlich geht es bei SBRT und SRS darum, sämtlichen Patient:innen die bestmögliche Behandlung zu bieten. Für mich spielt es keine Rolle, ob das in meiner Klinik geschieht oder woanders – solange wir das gemeinsame Ziel verfolgen, unser Bestes zu geben.
Wenn Sie zurückblicken, was hat sich in den letzten drei bis fünf Jahren in der Neurochirurgie und Radiochirurgie am meisten verändert? Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die Software hat sich in diesem Zeitraum enorm weiterentwickelt und ist heute deutlich fortschrittlicher – etwa bei der Fusion verschiedener Bilddaten oder der Behandlung mehrerer Metastasen mit nur einem Isocenter. Diese technischen Fortschritte – Hand in Hand von Industrie und unserer Community entwickelt – führen zu schnelleren und sichereren Behandlungen.
Ich erwarte in Zukunft noch mehr Verbesserungen, insbesondere im Software-Bereich, die es gerade Einsteigern deutlich einfacher macht. Wenn wir um fünf oder sieben Jahre zurückblicken, hatten die Bestrahlungszentren zu Beginn eine ziemlich steile Lernkurve zu bewältigen. Da die Community inzwischen etabliert und die Software schneller und intuitiver geworden ist, denke ich, dass sich diese steile Lernkurve deutlich abflachen wird.
Die Aussage der medizinischen Fachkraft stellt ihre persönliche Meinung und Erfahrung dar. Diese Aussage wird möglicherweise nicht durch wissenschaftliche Evidenz oder peer-reviewte Forschung gestützt. Für verifizierte Informationen über das Produkt konsultieren Sie bitte die offizielle Dokumentation oder einschlägige klinische Leitlinien.