Stereotaktische Radiochirurgie (SRS) und extra-kranielle stereotaktische Bestrahlung (SBRT) sind unverzichtbare Therapieoptionen für onkologische Patient:innen. Für Prof. De Ridder bedeutet ein optimales Strahlentherapieergebnis, sich für modernste Technologien einzusetzen und dafür zu sorgen, dass klinische Teams höchste Standards einhalten.

Prof. De Ridder, erfahrener Radioonkologe und langjähriger Brainlab Kunde, leitete seit 2010 die Abteilungen für Strahlentherapie sowie für Supportive Care des UZ Brüssel. Heute ist er CEO des Universitätsklinikums und gemeinsam mit seinem Team behandelt er jährlich rund 1.950 onkologische Patient:innen mit einem breiten Spektrum an Indikationen.
Beyond the Lab: Könnten Sie angesichts Ihrer Spezialisierung kurz erklären, was stereotaktische Radiochirurgie und extra-kranielle stereotaktische Bestrahlung sind?
Prof. De Ridder: Stereotaktische Radiochirurgie ist ein äußerst präzises Verfahren, das Gehirnläsionen, sowohl bösartige als auch gutartige, in nur einer Sitzung behandelt. In den letzten zehn Jahren hat sich bei der Therapie von Hirnmetastasen die Herangehensweise von der Ganzhirnbestrahlung hin zur SRS gewandelt – heute entfallen über 90 % der SRS-Indikationen auf Metastasen im Gehirn. Stereotaktische Radiochirurgie wird zudem häufig auch bei gutartigen Erkrankungen wie Vestibularisschwannomen, Trigeminusneuralgie, Hypophysenadenomen, Meningeomen und arteriovenösen Malformationen eingesetzt.
Die extra-kranielle stereotaktische Bestrahlung nutzt die Expertise aus der SRS und wendet sie außerhalb des Schädels an, beispielsweise bei Läsionen in Wirbelsäule, Lunge und Leber. Besonders anspruchsvoll ist die Behandlung von Lungen und Leberläsionen mit der extra-kraniellen stereotaktischen Bestrahlung, da sich diese während der Atmung bewegen. Die Behandlung kann in einer Einzelsitzung erfolgen oder hypofraktioniert, also in wenigen größeren Teilbestrahlungen.
Was sind Ihrer Meinung nach die Herausforderungen bei der Durchführung von SRS und SBRT?
Bei der stereotaktischen Radiochirurgie besteht die größte technische Herausforderung in der präzisen Abgabe der Strahlendosis exakt auf das Zielgebiet. Da die Behandlung in einer einzigen Fraktion erfolgt, bleibt keinerlei Spielraum für Fehler. Werden mehrere Läsionen in einer Sitzung behandelt, ist eine konsistente Patientenlagerung entscheidend, um die notwendige Genauigkeit zu gewährleisten. Ein weiterer kritischer Aspekt ist es, dieses hohe Maß an Präzision während der gesamten Dosisabgabe aufrechtzuerhalten.
Anatomische Herausforderungen können je nach Lage der Läsion auftreten und es erschweren, die für die Behandlung erforderlichen präzisen Dosisgradienten zu erreichen und aufrechtzuerhalten. In der spinalen Radiochirurgie ist Genauigkeit besonders entscheidend, da die Wirbelsäule stets in unmittelbarer Nähe zum Zielgebiet liegt. Jede Verringerung der Präzision kann größere Sicherheitsabstände erforderlich machen, die möglicherweise mit dem Rückenmark überlappen und dadurch die Möglichkeit einschränken, eine ausreichend hohe Dosis zu verabreichen.
Bei der extra-kraniellen stereotaktischen Bestrahlung von Lungen- und Leberläsionen stellt die Beweglichkeit der Organe eine zusätzliche Herausforderung dar. Verschiedene Strategien helfen, auch unter Bewegung präzise zu behandeln.
Wie können medizinische Einrichtungen diese Herausforderungen meistern?
Technologie spielt eine zentrale Rolle dabei, die genannten Herausforderungen zu bewältigen. Die Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses hängt stark von der Ausstattung ab – und diese bringt spezifische Einschränkungen mit sich, die in den klinischen Alltag integriert werden müssen. Daher ist die enge Zusammenarbeit zwischen Physiker:innen und Ärzt:innen unverzichtbar, um die Grenzen der Technologie zu erkennen, zu verstehen und gemeinsam zu handeln.
Bei Lungen-SBRT beispielsweise setzen einige Zentren auf bewegungseinschließende Techniken. Dabei wird ein internes Zielvolumen (ITV) auf Basis von 4D-CT- und/oder PET-Scans erstellt. Die Lagerung der Patient:innen wird anschließend bevorzugt mithilfe eines 4D-CBCT überprüft. Andere Zentren nutzen Gating- oder Tracking-Verfahren, die sich am Tumor selbst, an implantierten Markern (Fiducials) oder anatomischen Surrogaten orientieren. Gating wird dabei in der Regel mit einer Atemanhaltetechnik kombiniert. Jedes Zentrum sollte seine Behandlungsstrategie auf Grundlage der verfügbaren Geräte und der lokalen Expertise festlegen.


Können Sie uns erklären, warum Peer-Reviews speziell für SRS und SBRT für Patient:innen und Klinikteams wichtig sind?
Stereotaktische Radiochirurgie und extra-kranielle stereotaktische Bestrahlung stellen hohe Anforderungen in Bezug auf individuelle Therapieentscheidungen, technische Präzision und Auswahl geeigneter Patient:innen. Multidisziplinäre, speziell auf stereotaktische Therapien ausgerichtete Behandlungswege, einschließlich klinischer, physikalischer Belange und Qualitätssicherung, sind unerlässlich. Peer-Review ist dabei ein zentrales Instrument, um Protokolle zu kontrollieren und kontinuierlich zu verbessern. Seit Jahren beobachte ich die positiven Effekte dieser Reviews durch die Novalis Expert Group, sowohl in weniger erfahrenen als auch in etablierten Zentren.
Sie haben die Novalis Expert Group erwähnt. Können Sie Ihre Rolle als Novalis Certified Expert und Ihre Zusammenarbeit mit anderen Community-Mitgliedern beschreiben? Warum ist das Programm für medizinische Einrichtungen wichtig?
In unserem Expertengremium erstellen und aktualisieren wir zunächst die Standards für die stereotaktische Radiochirurgie und die extra-kranielle stereotaktische Bestrahlung. Die multidisziplinäre Zusammensetzung aus Neurochirurg:innen, Medizinphysiker:innen und Radioonkolog:innen sorgt für eine ganzheitlichen Blick auf die Therapiepfade. Zweitens evaluieren wir die Berichte externer Auditor:innen auf Qualität und Einheitlichkeit. Drittens begleiten wir Zentren beratend vor, während und nach der Akkreditierung.
Das Novalis Certified Program unterstützt medizinische Einrichtungen maßgeblich dabei, die für ein sicheres und erfolgreiches Radiochirurgie-Programm erforderlichen Qualitätsstandards einzuführen und zu halten. In regelmäßigen Treffen und im E-Mail-Austausch arbeiten wir eng als Expertenteam zusammen. Tim Solberg ist in unserer Community der „Papa Schlumpf“. Seine langjährige Erfahrung und sein Einblick in verschiedenste Perspektiven bereichern unsere Arbeit wesentlich.
Welche Vorteile haben Novalis Certified-Einrichtungen im Vergleich zu nicht-zertifizierten Einrichtungen?
Der Vorteil einer Zertifizierung liegt in der externen Überprüfung durch fachkundige Kolleginnen und Kollegen, die wertvolles Feedback zum eigenen SRS-/SBRT-Programm geben. Angesichts der Komplexität und der ständigen Weiterentwicklung dieser Technologien sind solche Audits entscheidend, um sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten eine Behandlung auf höchstem Qualitätsniveau erhalten. Neben dem direkten Nutzen für die Patientensicherheit stellt die Akkreditierung auch einen bedeutenden Mehrwert für das Zentrum selbst dar, etwa im Hinblick auf Wissenstransfer, Mitarbeiterschulung, Reputation und die Gewinnung neuer Patientinnen und Patienten. Wer möchte schon in einem nicht zertifizierten Zentrum behandelt werden?
Ist die Novalis Zertifizierung an die eingesetzte Technologie gebunden?
Die Novalis-Zertifizierung bewertet das SRS-/SBRT-Programm eines Krankenhauses unabhängig von der verwendeten Technologie. Entscheidend ist, dass das Programm hohe Standards in den Bereichen Organisation, Infrastruktur, Abläufe, Personal, Technologie und Qualitätssicherung erfüllt und nachweist.


Wie profitieren Patient:innen vom Novalis Zertifizierungsprogramm?
Diese Zertifizierung verbessert und fördert sowohl die Behandlungsqualität als auch die Patientensicherheit, welches selbstverständlich unseren Patientinnen und Patienten zugutekommt. Darüber hinaus können sich Patientinnen und Patienten gezielt für ein zertifiziertes Zentrum entscheiden und so sicher sein, eine Versorgung auf höchstem Niveau zu erhalten.
Was hat sich in Ihrer Abteilung seit der Novalis Zertifizierung verändert?
Unsere Abteilung blickt auf eine lange Geschichte in der Radiochirurgie und Qualitätssicherung zurück. Insofern hat das Akkreditierungsprogramm unsere Techniken nicht grundlegend verändert oder die Philosophie unserer führenden Experte:innen neu definiert. Aber: Es hat ein breites Bewusstsein für die speziellen Radiochirurgie-Versorgungswege und Qualitätsstandards im gesamten Team geschaffen, sowohl bei erfahrenen als auch bei jungen Radioonkolog:innen, Physiker:innen und MTRAs. Darüber hinaus motiviert es uns, unsere Abläufe kontinuierlich zu verbessern und zu aktualisieren. Ein weiterer wichtiger Effekt war die Etablierung eines engagierten, interdisziplinären Qualitätsteams innerhalb unserer Abteilung.
Die Aussage der medizinischen Fachkraft stellt ihre persönliche Meinung und Erfahrung dar. Diese Aussage wird möglicherweise nicht durch wissenschaftliche Evidenz oder peer-reviewte Forschung gestützt. Für verifizierte Informationen über das Produkt konsultieren Sie bitte die offizielle Dokumentation oder einschlägige klinische Leitlinien.